Während nur ein geringer Teil der nicht verbrauchten Lebensmittel in Österreich im Lebensmittelhandel anfällt, verfolgt die Branche eine 360-Grad-Strategie zur Minimierung von Lebensmittelverlusten – von der Kooperation mit sozialen Einrichtungen bis zur gezielten Vermarktung von Obst und Gemüse mit Schönheitsfehlern.
Intro
In jedem Lebensmittel stecken wertvolle Ressourcen wie Wasser, Boden, Energie und menschliche Arbeitskraft. Jede vermeidbare Verschwendung von Lebensmitteln ist daher ein Schaden in ökologischer, sozialer, wirtschaftlicher und ethischer Hinsicht.
Der Anteil des Lebensmittelhandels an nicht verbrauchten Lebensmitteln ist viel kleiner als gemeinhin angenommen: Laut europäischen Studien stammen 53 % der Lebensmittelabfälle im Rest- und Biomüll aus privaten Haushalten, 30 % aus der Landwirtschaft, 12 % aus der Gastronomie und nur 5 % aus dem Handel. Laut WWF Österreich entfallen schätzungsweise 7 % der vermeidbaren Lebensmittelabfälle in Österreich auf den Lebensmitteleinzelhandel, wobei diese Schätzung keine belastbaren Zahlen für die Landwirtschaft enthält.
Laut europäischen Studien stammen 53 Prozent der Lebensmittelabfälle im Rest- und Biomüll aus privaten Haushalten, 30 % aus der Landwirtschaft, 12 % aus der Gastronomie und nur 5 % aus dem Handel.
Vorreiter
360-Grad-Strategie des Handels gegen Lebensmittelverschwendung
Trotz des vergleichbar geringen Anteils des Lebensmittelhandels an den vermeidbaren Lebensmittelabfällen, implementiert die Branche seit vielen Jahren eine 360-Grad-Strategie zur Minimierung von Lebensmittelverlusten auf allen Ebenen ihres Einflussbereiches. Durch einen ganzheitlichen Ansatz verschiedener Maßnahmen ist dem Lebensmitteleinzelhandel – in Zusammenarbeit mit zahlreichen Partnerorganisationen – gelungen, den Anteil von Lebensmittelabfällen am Gesamtumsatz auf rund 1 % zu reduzieren.
Hier ein Überblick der wichtigsten Instrumente:
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1. Aktionsprogramm „Lebensmittel sind kostbar“
Bereits im Jahr 2013 ist der österreichische Lebensmittelhandel dem Aktionsprogramm „Lebensmittel sind kostbar“ des Klimaschutzministeriums beigetreten, dem auch Lebensmittelproduzenten, Ländervertreter, soziale Einrichtungen und die Sozialpartnern angehören. Im Rahmen einer freiwilligen Vereinbarung verpflichten sich die teilnehmen Unternehmen für die Periode 2017-2030 zu umfassenden Maßnahmen zur Minimierung von Lebensmittelverlusten.
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2. Bedarfsgerechte Mengenplanung
Lebensmittelhändler leben davon, Lebensmittel zu verkaufen, nicht sie als Abfall entsorgen zu müssen. Das erste Augenmerk des Handels liegt daher auf der punktgenauen Planung des täglichen Mengenbedarfs jeder einzelnen Filiale unter Einsatz ausgefeilter Prognosesysteme. Dazu werden Produkte für Filialen auch in kleineren Bestelleinheiten verfügbar gemacht. Manche Produkte, werden z.B. durch Backshops vor Ort bedarfsgerecht verkaufbar gemacht.
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3. Vergünstigte Abgabe
Lebensmittel mit unmittelbar bevorstehendem Ablaufdatum werden vergünstigt (25-50% Nachlass) abgegeben. Oftmals werden diese Produkte – auch im Sinne der Bewusstseinsbildung – mit „Lebensmittel sind kostbar“-Stickern versehen. Einwandfreies Obst und Gemüse, das unter Tags in den Filialen nicht verkauft wurde, oder dessen Aussehen nicht mehr zu 100% den Kunden-Erwartungen entspricht, kommt oftmals in eigene „Rettungs-Boxen“, die vergünstigt abgegeben – und so vor der Bio-Tonne gerettet – werden.
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4. Bewerbung von Obst und Gemüse mit Schönheitsfehlern
Viele Konsument:innen entscheiden auch nach ästhetischen Kriterien, zu welchem Produkt sie greifen und welche im Regal liegen bleiben. Dem steht die Vielfalt der Natur und der aus ihr gewonnenen Nahrungsmittel gegenüber.
Als Gegenmaßnahme bieten einzelne Handelsunternehmen saisonal, und je nach Verfügbarkeit, proaktiv Obst und Gemüse an, das trotz eigenwilligem Aussehen einwandfrei in Qualität und Geschmack ist – zu einem günstigeren Preis.
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5. Spenden an Sozialeinrichtungen
Die österreichischen Lebensmittelhändler spenden jährlich zig-tausende Tonnen an nicht mehr verkäuflichen, aber einwandfrei genießbaren Lebensmitten an Sozialeinrichtungen, wie z.B. regionale Tafeln, Caritas, Samariterbund, Tischlein Deck Dich, Best of the Rest oder SOMA Sozialmärkte.
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6. Digitale Lösungen für die Selbstabholung
Viele heimische Lebensmittelhändler arbeiteten mit Start-Ups zusammen, die sich ebenfalls dem Kampf gegen Lebensmittelverschwendung verschrieben haben. Ein Beispiel dafür ist „To Good To Go“, eine Mobile App, die Kunden mit Lebensmittelgeschäften und Restaurants verbindet, die unverkaufte, überschüssige Lebensmittel zu einem Drittel des regulären Preises an Selbstabholer abgeben.
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7. Weiterverarbeitung von Lebensmitteln in den Märkten
In vielen Filialen des Lebensmittelhandels werden einwandfrei genießbare Lebensmittel beispielsweise in Convenience Produkte verarbeitet: z.B. Äpfel zu Apfelmus im Glas, Erdbeeren und Marillen zu Marmelade, Gemüse zu Antipasti. In den Gastro-Bereichen des Lebensmittelhandels, in denen frisch gekocht wird, wird beispielsweise Gemüse zu Beilagen verarbeitet.
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8. Schulung von Mitarbeiter:innen
Den Mitarbeiter:innen in den Märkten kommt eine wichtige Rolle im sorgsamen Umgang und der engmaschigen Bewertung von Lebensmitteln zu. Regelmäßige Schulungen der Mitarbeiter:innen verhindern unnötige Lebensmittelverschwendung. Zu den Schulungsprogrammen gehören z.B. Sensorik-Schulungen mit dem Verband der österreichischen Tafeln, Sensibilisierungsvideos, Schulungen im Angebot von Gebäck (z.B. Schwarzbrot) auch vom Vortag oder in der Verringerung des Frischwarenangebots gegen Ladenschluss.
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9. Bewusstseinsbildung und Tipps für Kund:innen
Der Lebensmittelhandel setzt auf vielfältige Kommunikationsmaßnahmen, um seine Kund:innen bei der Vermeidung von Lebensmittelverlusten zu unterstützen – z.B. mit Tipps zur bewussten Einkaufsplanung, die richtige Lagerung von Lebensmitteln, den Unterschied zwischen Mindesthaltbarkeitsdatum (MHD) und Verbrauchsdatum bis bin zu speziellen Kochbüchern mit „Restl-Rezepten“.
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10. Verarbeitung zu Futtermittel, Bio-Gas oder Kompost
Lebensmittel, die für den Menschen nicht mehr genießbar sind, werden in anderweitiger Form einer ökologisch sinnvollen Verwertung zugeführt. So kann z.B. Brot, das nicht in den Verkauf gelangte oder beim Verkauf übrig blieb (MHD überschritten), zu hochwertigem Futtermittel verwertet werden. Lebensmittelreste, die sich nicht als Tiernahrung eigenen, können zur Herstellung von Bio-Gas oder zur Kompostierung verwendet werden.